Grundlagen – Was ist eine Demenz?

In einem Kubikmillimeter menschlicher Hirnrinde befinden sich etwa 90.000 Nervenzellen. Zur Weitergabe von Signalen untereinander sind die Nervenzellen über ein weit verzweigtes Netz an Nervenfasern (Axone) miteinander verbunden. Würde man die Nervenfasern, die sich in einem Kubikmillimeter menschlicher Hirnrinde befinden, aneinander reihen, so ergäbe sich eine Faserlänge von vier Kilometern. Jedes dieser Neurone steht über 20.000 Kontaktstellen (Synapsen) mit anderen Nervenzellen in Verbindung.

Das Zentralnervensystem des Menschen lässt sich in mehrere Bereiche unterteilen. Hierzu gehören das Großhirn, das Kleinhirn, der Hirnstamm und das Rückenmark. Insbesondere dem Großhirn kommt eine besondere Rolle bezüglich unseres Gedächtnisses zu. Die Funktionen des Kleinhirns in Bezug auf so genannte höhere Hirnleistungen, werden derzeitig intensiv erforscht. Im Bereich der Großhirnrinde gibt es Bereiche, welche beispielsweise für das sehen (visueller Cortex), für Bewegungen (primär motorischer Cortex) oder das fühlen (primär somatosensorischer Cortex) spezialisiert sind. Es gibt jedoch kein Areal, welches man als den Gedächtnisbereich beschreiben könnte. Letztlich ist für ein Funktionieren unseres Gedächtnisses die Intaktheit des ganzen Gehirns notwendig. Trotzdem konnte gezeigt werden das bestimmten Regionen eine besondere Rolle zugeschrieben werden kann. Hierbei wären insbesondere der präfrontale Cortex unter der Temporallappenbereich zu erwähnen.

Es gibt ca. 100-Billionen Synapsen im menschlichen Gehirn. Sie sind entscheidend beim Aufbau unseres Gedächtnisses und den Erinnerungsvorgängen beteiligt. Unter dem Mikroskop betrachtet zeigt sich an der Kontaktstelle zwischen zwei Nerven ein winziger Spalt, über den hinweg der ankommende elektrische Nervenimpuls von einer auf die andere Nervenzelle übertragen werden muss. Dies geschieht mit Hilfe s. g. Botenstoffe (Neurotransmitter), die von der impulsgebenden Nervenzelle kurzfristig in den Spalt ausgeschüttet werden. Auf der Empfängerseite löst der Botenstoff wiederum ein elektrischen Impuls aus, der dann entlang der Nervenfaser weitergeleitet wird. Die chemische Erregungsübertragung wurde in der 20er Jahren durch Otto Loewi aus Frankfurt am Main mit einem sehr interessanten Versuch beschrieben. 1936 wurde er für seine Leistung mit dem Nobelpreis geehrt. Das Preisgeld half ihm bei der Emigration vor den Nazis, da er ein jüdischer Wissenschaftler war. Er konnte seine Forschung schließlich in den USA fortsetzen.

Es gibt erregende und hemmende Nerven, die mit unterschiedlichen Botenstoffen (z. B. Acetylcholin, Glutamat, GABA, Serotonin, Dopamin) unser Denken, Fühlen und Handeln regulieren. Daher ist es wichtig, dass die Botenstoffe in einem fein ausgewogenen Gleichgewicht zueinander stehen.

Der bei der Alzheimer-Krankheit am stärksten betroffene Neurotransmitter ist das Acetylcholin. Erst im fortgeschrittenen AD-Stadium sind auch anderen Neurotransmitter betroffen. Durch den mit fortschreitender Erkrankung zunehmenden Neuronen- bzw. Synapsenverlust verliert die Therapie mit bestimmten Antidementiva (Hemmstoffe des Acetylcholinabbaus sog. Acetylcholinesteraseinhibitoren) an Nutzen. Dies unterstreicht eindrucksvoll, warum ein früher Behandlungsbeginn der Alzheimer Demenz so wichtig ist.

Der Neuronen- bzw. Synapsenverlust führt zu einer Desintegration der Gedächtnisspeicher und damit reduzierten Assoziationsfähigkeit.

Nach der Weltgesundheitsbehörde ist die Demenz wie folgt definiert:
Eine Demenz ist eine erworbene globale Beeinträchtigung der höheren Hirnfunktionen einschließlich des Gedächtnisses, der Fähigkeit Alltagsprobleme zu lösen, sensomotorischer und sozialer Fähigkeiten, der Sprache und der Kommunikation.

Es gibt zahlreiche prominente Patienten einer derartigen Erkrankung. Eine Demenz ist eine schwere und häufig nicht richtig verstandene Erkrankung des Gehirns.

Es handelt sich hierbei weder einfach um eine leichte Verschlechterung der kognitiven Leistung infolge des normalen Alterungsprozesses noch ist ein vorangegangenes seelisches Trauma die zugrunde liegende Ursache. Eine Demenz ist vielmehr eine klar abgrenzbare Erkrankung, die durch fortschreitende Veränderungen der kognitiven Leistung und des Verhaltens gekennzeichnet ist.

Diese Veränderungen führen schließlich dazu, dass Menschen mit einer Demenz nicht mehr in der Lage sind, ihr Leben selbstständig zu führen – dies kann so weit gehen, dass die Pflege eine ständige Überwachung des Kranken erfordert, die meistens von Angehörigen zu Hause übernommen wird.

Leider besteht ein nur geringes Interesse an derartigen Erkrankungen sowohl von Seiten der Ärzte als auch der Gesundheitspolitik. Dabei werden Patienten mit Demenzen zukünftig eine noch größere Rolle spielen (Stichwort steigende Lebenserwartung). Demenzen im Alter werden meist Demenzen vom Alzheimer Typ sein (rein statistisch schon), sodass die Diagnose einer Alzheimer Demenz bei einem alten dementen Patienten keine echte geistige Leistung ist.

Die Entwicklung der Demenzen bzw. ihrer Häufigkeit die sog. Prävalenz hat extrem große gesundheitsökonomische Konsequenzen und ist von weiten Teilen der Ärzte und Gesundheitspolitiker nicht ausreichend erkannt. Demenzen spielen in der Gesundheitsreform, bei der Verteilung von Forschungsgeldern bisher nur eine marginale Rolle. Erst langsam wird in Deutschland realisiert, welche Bedeutung dieser Erkrankung zukommen wird. Es entstehen hier zu Lande erst langsam spezialisierte Forschungszentren.

Auch gibt es aktuell viel zu wenig spezialisierte Pflegeeinrichtungen, Heime für Demenzkranke, insbesondere auch für frühe Krankheitsverläufe. Es gibt kaum speziell geschultes Personal.

Durch Auflösung der Familienstrukturen wird die Betreuung in Zukunft weiter erschwert.

Derzeitig werden 2/3 der Demenzkranken zuhause gepflegt.

Demenzen sind häufige Erkrankungen und manche Menschen bringen zahlreiche Risikofaktoren für eine derartige Erkrankung mit. Leider erfolgt die Diagnosestellung häufig erst in einem späten Stadium. Die Erkrankung wird von Angehörigen zum Teil erst realisiert, wenn es zu schweren psychischen Auffälligkeiten kommt. Bei prominenten Persönlichkeiten möchte man die Diagnose zum Teil nicht stellen, da er eine derartige Erkrankung nicht haben kann beziehungsweise darf.

Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz sind beispielsweise das Alter, Geschlecht, genetische Disposition, früheres Schädel-Hirn-Trauma, Schulbildung, Alkohol, Ernährung (Risikosteigerung durch fett- u. kalorienreiche Ernährung).

Weltweit geht man derzeitig von 25 Mio. an Alzheimer erkrankten Menschen aus. Die Zahl wird sich 2050 nahezu verfünffachen auf etwa 114 Mio. In Deutschland und den anderen Industrienationen hat sich die Altersstruktur nachhaltig verändert. Die demographischen Veränderungen sind nicht abgeschlossen und es wird ein überproportionaler Zuwachs an Hochbetagten erwartet. Die Prävalenz, also der Krankenbestand zu einem bestimmten Zeitpunkt, wird zukünftig stark zunehmen und steigt mit zunehmendem Alter ab etwa 65 Jahren exponentiell bis etwa 90 Jahren an. Dann flacht die Kurve wieder etwas ab. 95-jährige zeigen eine Prävalenz von ca. 60 %, d.h. dass mehr als jeder zweite erkrankt sein wird.

In Deutschland gehen wir aktuell von ca. 1.200.000 Demenzkranken aus.

Frauen haben aufgrund höherer Lebenserwartung ein höheres Erkrankungsrisiko.

Hohe Inzidenzraten (Anteil der Neuerkrankungen an den zuvor Gesunden über ein Jahr) bringen ein beträchtliches individuelles Erkrankungsrisiko zum Ausdruck. Unter Berücksichtigung von Inzidenz und Lebenserwartung werden ca. 34 % aller Frauen an einer Demenz erkranken, welche das 65. Lebensjahr erreicht haben. Für Männer liegt es aufgrund der geringeren Lebenserwartung bei 16 %.

Häufig wird darüber berichtet, dass das Gedächtnis von älteren Menschen schlechter wird. Eine derartige Annahme ist nicht haltbar. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass es in der Tat zu Veränderungen der Hirnleistung mit dem Alter kommt. Das Gedächtnis von älteren Menschen ist jedoch nicht so schlecht, wie häufig behauptet wird.

Bisher erfolgte eine Unterteilung des Gedächtnisses nach Zeit in ein Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis. Mittlerweile wurde das Konzept des Arbeitsgedächtnisses von Baddeley Anfang der 90er Jahre eingeführt. Der Begriff umfasst nicht nur die bloße Speicherung, sondern auch die aktive Manipulation von Informationen zur Steuerung des nachfolgenden Verhaltens. Diese aktive Komponente macht den wesentlichen Unterschied zum eher statischen Kurzzeitgedächtnis.

Ferner erfolgt eine Unterteilung des Langzeitgedächtnisses nach Inhalten. Der deklarative Bereich beinhaltet Informationen, die von Bewusstsein begleitet sind und sprachlich berichtet werden können. Durch Tulving erfolgte die weitere Unterteilung in ein episodisches Gedächtnis und in ein Wissen- u. Faktengedächtnis, das sog. Semantische Gedächtnis. Der deklarative Teil des Langzeitgedächtnisses ist bei der AD bereits im Frühstadium betroffen.

Das nicht-deklarative Gedächtnis ist heterogener, hierbei geht es beispielsweise um Fertigkeiten wie Radfahren oder Klavier spielen.

Mit zunehmendem Alter kommt es zu Veränderungen des Gedächtnisses. Es zeigt sich ein geringe Abnahme des Arbeitsgedächtnisses jedoch eine deutliche Abnahme des episodischen Gedächtnisses. Ältere Menschen können sich Dinge nicht mehr so gut merken. Das semantische Gedächtnis ist ebenbürtig. Ebenso zeigte sich keine Abnahme des nicht-deklarativen Gedächtnisses.

Die Aufmerksamkeit zeigt nur eine geringe Abnahme bei komplexen Aufgaben. Bei der Sprache kommt es zu keiner Störung des Sprachverständnis. Es zeigen sich aber Defizite der Sprachproduktion mit Wortfindungsstörung und der verbalen Flüssigkeit.

Ferner kommt es altersbedingt zu einer Beeinträchtigung exekutiver Funktionen durch eine reduzierte kognitive Flexibilität.

Die Alzheimer Demenz ist die häufigste Ursache einer Demenz (ca. 60 %). Die gemischten Demenzen machen ca. 15 % aus. Es gibt jedoch inzwischen neue Erkenntnisse, die diese Aufteilung in Frage stellen. Ergebnisse einer britischen Studie zeigten, dass die meisten Patienten, die an einer AD litten, auch vaskuläre Veränderungen aufwiesen.

Demenzen sind häufige Erkrankungen und der Hauptrisikofaktor bleibt das Alter. Bereits Homer schrieb etwa 800 vor Christi "… Alter verfluchtes, Du Ohnmacht, du Grausen sogar für die Götter …". Demenzen kannte man bereits in der Antike, auch wenn sie damals – insbesondere aufgrund der geringeren Lebenserwartung – nicht die gesellschaftliche Bedeutung hatten wie heutzutage.

Alois Alzheimer (1864-1915) hat mit der Bearbeitung seines ersten Falls (Auguste D.) in der Publikation "Über einen eigenartigen, schweren Erkrankungsprozess der Hirnrinde" von 1906 den Ausgangspunkt für die Erstbeschreibung der Demenz vom Alzheimer-Typ geschaffen. Nur vier Jahre später führte Emil Kraepelin (1856-1926) den Begriff der "Alzheimer'schen Krankheit" in sein Psychiatrie-Lehrbuch ein.

Die Alzheimer-Demenz zählt zu den sogenannten neurodegenerativen Hirnerkrankungen. Es konnte gezeigt werden, dass die Erkrankung bereits viele Jahre früher beginnt, bevor sie von dem Patienten oder den Angehörigen wahrgenommen wird. Erst die kontinuierliche Zunahme der degenerativen Hirnveränderungen führt nach mehreren Jahren zu den bekannten Störungen der Merkfähigkeit, des Verhaltens, der Sprache und Orientierung.

Die sogenannten Amyloidplaques, also nicht in der Nervenzelle liegende Amyloidablagerungen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Alzheimer-Demenz. Die genauen Zusammenhänge sind unklar. Die Amyloidplaques enthalten Fragmente eines Eiweißes, welches normalerweise in der Zellmembran lokalisiert ist. Aufgrund eines fehlgeleiteten Abbauprozesses entsteht hierbei ein Eiweißbruchstück, welches von unserem Körper nicht entsorgt werden kann und sich zusammenlagert. Hierdurch kommt es zu einer Fehlfunktion der Kontaktstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen, den sogenannten Synapsen. Im Weiteren kommt es in der Nervenzelle selbst zur Bildung von sogenannten Neurofibrillen. Eine große Bedeutung kommt hier einem bestimmten Eiweiß, dem Phosphotau-Protein zu. In letzter Konsequenz kommt es zu einem Zusammenbruch des Zellskeletts und die Nervenzellen sterben ab. Gemäß der Amyloidkaskade kommt es durch die Fehlfunktion der Nervenzellen und dem Absterben der Nervenzellen zur Entstehung der Demenz.

Eine Demenz führt zu Störungen der Kognition. Die meisten Menschen dringend eine Demenz mit Gedächtnisstörung in Verbindung. Darüber hinaus kommt es aber auch zu Störungen der Alltagsaktivitäten und zu Verhaltensänderungen. Insbesondere die Verhaltensänderungen führen häufig dazu, dass der Betroffene nicht mehr im gewohnten Umfeld verbleiben kann.

Gedächtnisstörungen sind das Kernsymptom der Alzheimer Demenz. Hauptsächlich ist das deklarative Gedächtnis betroffen.

Als erstes fallen Störungen des episodischen Gedächtnisses auf und es zeigen sich Defizite beim Lernen von Wörtern und Figuren. Mit zunehmen-dem Schweregrad fallen auch die Erinnerungen an weiter zurückliegende Ereignisse weg, der Patient verliert seine Biographie. Das nicht-deklarative Gedächtnis ist kaum betroffen. Der Patient kann noch Radfahren, laufen etc. .Diese Diskrepanz führt zu Schwierigkeiten im Umgang mit Demenzkranken, sie sind gut zu Fuß, haben aber bereits unterwegs vergessen was sie machen wollten.

Interessanterweise zeigt sich häufig zu Beginn der Erkrankung eine Veränderung der Stimmung, insbesondere eine depressive Erkrankung mit den Zeichen einer Rückzugstendenz und Freudlosigkeit ist nicht ungewöhnlich. Leider werden diese ersten Symptome oft fehl gedeutet und eine weiterführende Diagnostik unter der Fragestellung einer dementiellen Erkrankung wird nicht eingeleitet. Aus diesem Grund muss eine Depression im höheren Lebensalter auch im Hinblick auf Frühsymptomen einer Demenz abgeklärt werden. Erst im mittleren Erkrankung Stadium kommt es zu Verhaltensauffälligkeiten wie beispielsweise Aggressivität oder Schlafstörungen. Diese Verhaltensstörungen sind für Angehörige derartig belastend, dass sie in dieser Phase häufig einen Arzt aufsuchen. Die frühen Symptome werden auch von Angehörigen und Hausärzten häufig fehl gedeutet, so dass keine adäquate Behandlung erfolgte. In der späten Erkrankungsphase kann es schließlich zu einer vollständigen Pflegebedürftigkeit und Bettlägerigkeit kommen.